Ein Handballspiel am Sonntagabend sorgt bei Amateurhandballmannschaften schon lange vor
Spielbeginn für einen Zwiespalt im Team. Die eine Hälfte der Mannschaft ist froh darüber, dass
sie den gesamten Sonntag Zeit hatte, um sich vom Vorabend regenerieren zu können, die andere
Hälfte müsste um diese Uhrzeit eigentlich schon wieder im Bett sein, um den nächsten Tag
halbwegs schmerzfrei beginnen zu können.
Nichtsdestotrotz fuhr man guten Mutes ins wunderschöne Großenritte, nicht zuletzt mit dem
Gedanken, dass das absolute Topspiel der Bezirksliga B folgen sollte. Das Hinspiel wurde zwar
mit 25:36 (13:19) verloren, war aber unterm Strich ein Ergebnis mit dem Trainer Kramm,
aufgrund der seit Jahren stark aufgestellten Baunataler, keine Probleme hatte. Auch Baunatal
hat das Ergebnis ganz offensichtlich schwer beeindruckt und so wurde das Team der
Heimmannschaft mit weiteren Spielern verstärkt, die das Handballspiel nicht erst am Vortag
erlernt hatten.
Besonders der Mann an der Seitenlinie von Ahnatal/Calden war vor Spielbeginn noch
euphorischer, als er ohnehin vor Spielen ist. So wurde schon weit vor Anpfiff des Spiels eine,
mit den Worten von Trainer Kramm beschrieben, „legendäre“ Ansprache angekündigt … und
die kam dann auch. Nachdem sich der Trainer in diversen Bibliotheken mit Unmengen an
epischen Werken ausgestattet hatte, saß er wochenlang zurückgezogen zu Hause und ließ kaum
jemanden an sich heran. Die Ansprache musste sitzen…
Um 17:55 Ortszeit war es dann so weit, der Trainer schloss die Kabinentür und alle warteten
gespannt auf das Folgende.
„Es war im Oktober 1415 als das englisch-walisische Heer von König Heinrich V. nahe
Azincourt den augenscheinlich weit überlegenden französischen Truppen von König Karl VI.
gegenüberstand, um eine Invasion seiner Engländer auf die französische Stadt Calais
voranzubringen. In Zahlen waren dies 8.000 Engländer und Waliser, die bis zu 35.000
Franzosen die Stirn bieten sollten. Durch Zusammenhalt, Kampf und Herzblut schafften die
Engländer den Durchbruch und hatten, im Gegensatz zu den schwer geschlagenen und bis auf
die Knochen gedemütigten Franzosen, kaum Verluste. Jeder denkt jetzt darüber nach, was ich
euch damit sagen will und dann gehen wir da raus und geben als ein Team alles“
Während alle Spieler der Spielgemeinschaft Ahnatal/Calden genau verstanden, was der Trainer
im folgenden Spiel erwartete, kam von seiner Seite aus noch eine kleine, aber nicht ganz
unentscheidende Anmerkung: „Ich will euch nicht verschweigen, dass die Bogenschützen auf
Seiten der Engländer der ausschlaggebende Punkt gegen die Panzerreiter der Franzosen waren,
aber das soll euch jetzt weiter nicht interessieren.“. Und so war die Stimmung im Team
weiterhin euphorisch, man konnte alles schaffen …
… leider hatte unsere Mannschaft keinerlei Bogenschützen, ein klassischer Recherchefehler auf
Seiten des Trainers.
So kam es direkt nach Schlachtbeginn zu diversen Durchbrüchen der Panzerreiter auf Seiten
Südkassler. 3:0, die Verteidigung des Nordens wurde wortwörtlich überrannt. In der Folge
entdeckten die Mannen von Kramm ihr Herzblut wieder und hielten mit voller Kraft dagegen.
Die Verteidigung war nach wie vor gnadenlos unterlegen und man bestaunte das doch sehr
ästhetische Niedergemetzel seiner Landsleute. Aber in der Offensive taten sich langsam die
ersten Lücken auf und die Durchbrüche der Panzerreiter wurden gekontert. Ricky Cramer
sorgte mit einer Willensleistung für die ersten Verluste im Süden, 3:1. Auch der Stratege des
Nordens, Moritz Sonntag, erwachte aus seiner Schockstarre und erkannte die nächste Lücke in
der Verteidigung, 4:2. So sollte in der Folge auch Daniel Endtricht, der als Erfahren geltende
Kämpfer, im Duell Mann gegen Mann den Sieg für die Mannen aus Ahnatal/Calden erringen
und den nächsten Durchbruch Baunatals mit seinem Sieg zum 5:3 kontern. Die
Offensivleistungen der Nordmänner forderten viel Kraft und so kam es, dass der Süden weiter
oben auf war. Das 6:3, 7:3 und 8:3 sollte folgen, ehe Leon Schareina, ein Mann der Taten, unter
tosendem Jubel der mitgereisten Schaulustigen, durch die Deckung brach und dem letzten
Mann keine Abwehrchance lies, 8:4. Aber auch weiterhin kannte die Schlacht nur eine
Richtung. Die Mannen von Wilhelmsthal und dem Kammerberg wurden immer weiter
zurückgedrängt. So konnte Cramer noch ein letztes Mal seinen Prachtkörper durch die
Verteidigung zum 10:5 tanken. Danach war aber vorerst die letzte Kraft aufgebraucht und
König Kramm zog sein Heer beim Stand von 13:5 in der 15. Minute vorerst vom Schlachtfeld.
In der Folge sollte sich die Mannschaft sammeln und durchatmen. Der Anführer sprach Mut
zu. Die Kampfleidenschaft wurde erneut geweckt. In dem folgenden Schlagabtausch konterten,
die bereits zu Helden gewordenen, Sonntag und Schareina die Angriffe aus dem Süden, ehe ein
Nordmann ohne vorherige Kampferfahrung den gegnerischen Schlussmann regelrecht
skalpierte und so die Verteidigung durchbrach, 18:9. Marco Bley, sein Name wird noch ewig
besungen werden, stellte sich in den Dienst seiner Mitkämpfer. Man munkelt, dass dieses
Schauspiel nach Ende der Schlacht das ein oder andere Gerstenkaltgetränk zur Folge haben
wird. Leider war dieses beeindruckende Schauspiel für seine Mitkämpfer zu viel Ablenkung,
die der Süden eiskalt nutzte und erneut vorpreschte. 25:9, ein herber Schlag. Cramer, gerade
aus dem Lazarett entlassen, Sonntag, nach wie vor der Mann für die wichtigen Entscheidungen,
und erneut Bley, mit seiner unnachahmlichen Kampftechnik, sorgten noch einmal für ein
Raunen auf dem Schlachtfeld, ehe den Baunatalern ein letzter Durchbruch gelang, 26:12.
Die Seiten einigten sich auf eine Verschnaufpause, um die Verletzten versorgen zu können. Im
Lager angekommen wurden erneut aufmunternde Phrasen König Kramms erwartet. Aber nein,
dieser war zunächst von den, mit vielen Verlusten auf Seiten des Nordens, verbundenen
Durchbrüchen der Südmänner angetan. Ein verrückter König, ging seinen Soldaten durch den
Kopf. Aber in der darauffolgenden Ansprache fand er die richtigen Worte und definierte die
Ziele für die Schlacht neu. „Ihr geht da raus und kämpft. Wir lassen uns hier nicht weiter
überrennen!“.
Auch die Gegner schienen neuen Mut getankt zu haben und schlugen erneut gnadenlos zu,
30:12. Es war brutal, die Moral im Norden schien gebrochen. Aber nein, der letzte Anker von
Kramms Mannen, Dario Frömmgen, hatte etwas dagegen. Unter Einsatz seines Lebens
verteidigte er, sowohl mit als auch ohne die Hilfe seiner Mitkämpfer, die letzte Stellung und
sorgte so für einen Wendepunkt der Schlacht. Die Euphorie trug sich durch die gesamte Truppe.
Sonntag und der Doppelte-Schareina rafften sich auf und gingen voran. Die Baunataler mussten
etwas an ihrer Taktik ändern und zogen sich beim Stand von 33:15 nach 43 Minuten vorerst
zurück. Auf Seiten des Nordens lagen die, in dieser Schlacht leider glücklosen Kämpfer, Bley,
Hartig und Nebenführ bereits im Lazarett von Medicus Reedwisch, gaben sich aber zu keinem
Zeitpunkt auf und warteten weiterhin auf den passenden Augenblick, um erneut zuschlagen zu
können. Bereits zuvor war ein junger Mann mit dem Namen Martin Rohrbach auf das
Schlachtfeld gezogen. Diesen Namen sollten wir uns merken.
Nachdem erneut zum Kampf gerufen wurde, hielt Ahnatal/Calden weiter dagegen. Nach wie
vor gab es an Frömmgen kaum ein Vorbeikommen und so ergaben sich in der Offensive
weiterhin Durchbruchmöglichkeiten für die Nordmänner. Zweimal Sonntag, Endtricht, Cramer
und Schareina hielten die Kämpfer in der Schlacht, 38:20. Es war erstaunlich, was trotz der
bereits feststehenden Niederlage aus dem Kampf- und Teamgeist entstand. Und es sollten
weiterhin Taten folgen. Martin Rohrbach, der einzige Mann auf dem Feld, der in Lage ist den
Kriegshammer zu führen, setzte diesen ein, um den Stand auf 38:21 zu stellen. Tosender
Applaus, auch seitens des Königs und dem Lazarett unter Medicus Reedwisch. Der neue Held
verlies das Feld, auch unter dem Applaus der mitgereisten Schaulustigen, und trat seinen
wohlverdienten Ruhestand an, um sich in der Folge bereits Gedanken um die Beschaffung der
von ihm verlangten Gerstenkaltgetränke zu machen. Durch diesen Augenschmaus unterstützt,
wurden unter den Kämpfer noch einmal die letzten Kräfte mobilisiert. Vor allem die Defensive
stemmte sich gegen die Zahl 40 und hielt dem Anlaufen der südlichen Panzerreiter lange Zeit
stand, während Sonntag erneut zweimal einen Weg durch Verteidigung fand. Die Bemühungen
waren jedoch nicht Erfolg gekrönt und die Mannen aus Baunatal schlugen erneut zu. Nicht zu
vergessen ist das letzte Aufbäumen des Nordens in Form von Simon Naumann. Der als flink
und unsichtbar geltende Meuchelmörder schlug eiskalt zu, 41:24. Der letzte Vorstoß des Südens
vollendete den Palindrom-Endstand von 42:24.
Die Truppen von König Kramm bedanken sich bei den Mitgereisten, die sich dieses Spektakel
nicht entgehen lassen wollten. Am kommenden Samstag müssen die Mannen aus
Ahnatal/Calden erneut nach Baunatal zur HSG III ziehen.
Es hielten dagegen:
Simon Naumann 1, Timon Bley, Christian Hartig, Ricky Cramer 4, Martin Rohrbach 1, Leon
Schareina 5, Marco Bley 2, Moritz Sonntag 9, Daniel Endtricht 2, Florian Nebenführ und
Dario Frömmgen (TW) sowie Oliver Kramm (Trainer) und Dirk Reedwisch
(Betreuer/Teamarzt/Alleinunterhalter der Bank)